Diagnose von Brandwunden mit mikrowellenbasierter Nahfeldbildgebung
Phase 1 und 2
Die exakte Bestimmung des Schweregrades von Brandverletzungen in möglichst kurzer Zeit ist heutzutage von großer Wichtigkeit, um die entsprechende chirurgische Wundbehandlung adaptieren zu können. Dies stellt im klinischen Alltag eine große Herausforderung dar. Deshalb werden in diesem Forschungsprojekt Methoden zur berührungslosen Diagnose von Brandwunden mittels auf Millimeter- und Terahertz-Wellen basierenden Bildgebungssystemen untersucht und entwickelt.
Beteiligte Institutionen und Institute:
Abteilung für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte, Handchirurgiezentrum, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Ruhr-Universität Bochum
Lehrstuhl für Hochfrequenztechnik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Forschungsgruppe:
Prof. Dr.-Ing. Martin Vossiek
PD Dr. med. Ole Goertz
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. habil. Helmut Ermert
Dipl.-Ing Julian Adametz
M.Sc. Daniel Oppelt
Kristina Zhuravleva
Ziele
Das Ziel des Projekts ist es, erstmalig das volle Potential von berührungslosen, voll kohärenten, rekonstruktiven Terahertz (THz) -Bildgebungsverfahren zur medizinischen Diagnose durch systematische Forschung und Entwicklung zu erschließen. Im Rahmen des Projekts werden zwei verschiedene Ansätze entwickelt und verglichen: (1) Tomographische Radarbildgebung mit einer multiple-input-multiple-output (MIMO) Datenerfassung und (2) Bildgebung durch die Erfassung des evaneszenten Feldes mit einer kontaktlosen Nahfeldsonde. Beide Ansätze werden an einem gemeinsamen Laboraufbau experimentell untersucht.
Der tomographische Ansatz wird auf die Verwendung von voll kohärenten, holographischen Radarbildgebungstechnologien fokussiert. Basierend auf einer ausgedünnten periodischen Konfiguration wird ein multistatisches MIMO-Bildgebungsarray für die Verwendung von THz-Wellen bis 500 GHz entwickelt. Ein kohärentes THz-Messsystem, bestehend aus zwei voneinander unabhängigen Einheiten zur Positionierung einer Transmitter (Tx) und einer Receiver (Rx) Antenne und einem Steuerrechner wird entwickelt und gefertigt. Dieser Aufbau ermöglicht die Untersuchung unterschiedlicher Rx/Tx-MIMO-Arrangements durch sequentielles Messen bei maximaler finanzieller Effizienz und maximaler Flexibilität. Die relativ lange Dauer der Datenerfassung spielt in diesem Grundlagenforschungsprojekt lediglich eine untergeordnete Rolle. Zusammen mit dem intelligenten Sensorkonzept werden angepasste Rekonstruktionsalgorithmen implementiert, die hochaufgelöste 3D Bildgebung von verbrannter Haut ermöglichen. Die hierdurch verbesserte Diagnose der Tiefe und Perfusion der Brandwunde wird mit dem aktuellen Entwicklungsstand anderer Technologien verglichen. Ein vollpolarisationssensitives Radarsystem wird entwickelt, sodass alle Komponenten der Rückstreuung der vertikal-horizontal, horizontal-vertikal, vertikal-vertikal und horizontal-horizontal Komponente erfasst werden können. Neue vollpolarmetrische Analysemethoden von menschlichen Gewebe werden grundlegend erforscht.
Darüber hinaus wird ein Bildgebungssystem basierend auf THz-Nahfeld-Mikroskopie entwickelt, implementiert und hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit bezüglich der Diagnose von Brandwunden untersucht. Für dieses System wird eine dielektrische Nahfeldsonde konstruiert, um das rückgestreute evaneszente Feld der verbrannten Haut zu messen. Davon ausgehend wird ein Array bestehend aus der Kombination mehrerer Sonden observiert. Ein hochpräzises System zur Abstandsregulierung wird eingesetzt, um die unabsichtliche und unangenehme Berührung von Haut und Sonde zu vermeiden. Ein neuer Bildrekonstruktionsalgorithmus wird implementiert, um sowohl die Nahfeldausbreitung als auch die Rückstreuungsphänomene von biologischem Gewebe zu berücksichtigen. Es werden herausragend aufgelöste Bilder erwartet, die eine erheblich verbesserte Diagnose des Verbrennungsgrades erlauben. Das Potential der kombinierten Ergebnisse aus Nahfeldmikroskopie und Radarthomographie wird untersucht.
Die Eignung der beiden Konzepte für die klinische Diagnostik wird durch Tests an Phantommaterialien und in-vivo Untersuchungen experimentell verifiziert.
Abstract
Großflächige Verbrennungen der Haut gehören zu den schlimmsten Unfallverletzungen des Menschen mit oft lebensbedrohlichen Folgen und schweren Einschränkungen der Lebensqualität. Die medizinische Behandlung und Beurteilung von Brandwunden ist äußerst komplex. Wesentlich für eine optimale Wundversorgung ist die möglichst frühzeitige Beurteilung der Tiefe der Verbrennung, was schwierig ist und viel Erfahrung erfordert. Die Komplexität der Diagnostik wird nicht zuletzt dadurch begründet, dass es bis heute keine technischen Systeme zur diagnostischen Abbildung von Brandwunden gibt, die sich im klinischen Alltag nachhaltig als Hilfe bewährt haben.
Zu den bisher verfügbaren Ansätzen zur Diagnose von Brandwunden gehören das Laser-Doppler-Imaging (LDI), sowie die optische Kohärenztomographie (OCT). Auch wurden bereits Terahertz (THz) Abbildungstechniken vorgestellt, die den Vorteil aufweisen, dass sie – im Gegensatz zu OCT und LDI – eine Durchdringung von Verbandmaterial ermöglichen. Bei den bisher verfügbaren THz-Systemen handelt es sich allerdings um relativ einfache inkohärent arbeitende Scan-Systeme mit stark fokussierenden Antennen oder taktilen Sonden. Wie bei LDI und OCT muss daher die Hautoberfläche Punkt für Punkt in einem langwierigen Prozess abgetastet werden.
Um das volle Potential von THz-Abbildungsverfahren zur Diagnose von Brandwunden systematisch zu untersuchen sollen in diesem Vorhaben erstmals berührungslose, voll kohärente, rekonstruktive THz-Abbildungsverfahren zur Diagnostik erforscht werden. Hierzu sollen zwei alternative Ansätze vergleichend untersucht werden; einerseits eine tomographische Radarbildgebung mit einer Multiple-Input-Multiple-Output (MIMO) basierten Datenerfassung und andererseits eine berührungslos arbeitenden Anordnung von Sonden zur Auswertung des evaneszenten Nahfeldes. Neben optimierten THz-Sensorsystemkonzepten sollen Rekonstruktionsverfahren erforscht werden, die eine hochaufgelöste dreidimensionale Abbildung der Brandwunde und insbesondere verbesserte diagnostische Aussagen hinsichtlich der Tiefe der Verbrennung und der Blutperfusion liefern. Durch polarisationssensitive Auswertung sollen auch neuartige Möglichkeiten zur Gewebeklassifizierung erforscht werden. Messtechnische Untersuchungen an Phantommaterialien sowie In-vivo-Untersuchungen von Brandwunden sollen die Eignung dieser Konzepte für die medizinische Diagnostik nachweisen.
Dieses interdisziplinäre Gemeinschaftsprojekt vereint die Expertise des Lehrstuhls für Hochfrequenztechnik (LHFT) der Universität Erlangen – einem der weltweit führenden Institute im Bereich kohärenter rekonstruktiver Mikrowellen-Abbildungssysteme und die der Universitätsklinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte der Ruhr-Universität Bochum – eine der national und international führenden Spezialkliniken in diesem Gebiet. Ziel der gemeinsamen Aktivität ist es, neuartige Ansätze für die Brandwunden-Diagnostik zu erforschen, die hoffentlich langfristig zu dem dringend benötigten Durchbruch in diesem Bereich führen.
Publikationen
D. Oppelt, T. Pfahler, F. Distler, J. Ringel, O. Goertz and M. Vossiek, “Nearfield Imaging Probe for Contactless Assessment of Burned Skin – to be published,” in Proceedings of the 47th European Microwave Conference (EuMC), Nuremberg, Germany, Oct. 2017.
D. Oppelt, J. Adametz, J. Groh, O. Goertz and M. Vossiek, “MIMO-SAR Based Millimeter-Wave Imaging for Contactless Assessment of Burned Skin,” in Proceedings of the International Microwave Symposium (IMS2017), Honolulu, Hawaii, USA, June 2017.